Skitourenwoche der Gruppe NABA in Tschuggen am Flüelapass, 22.-29. März 2003

Leitung: Rolf Sägesser, Bergführer
Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Claudia Betschart (Fotos), Vreni Gubler, Jacques Lamon, Ueli Mosimann, Hans Reinacher, Kurt Uhlmann, Hansruedi Zoller, Vreni Zoller (Bericht).


Karte   GPS-tracks

 
 
 
 
 

 

 


Samstag, 22. März 2003: "Vivace"

Die schwellenden Knospen der Magnolien, die blühenden Osterglocken und der zarte Duft der Viola Tricolor machten es uns schwer, ans Packen für die Skiferien zu denken.
Um 12 Uhr holten wir Claudia ab und anschliessend Vreni, damit wir uns um 12.30 h an der Raststätte in Pratteln mit Hans, Jacques, Kurt und Ueli treffen und die Reise ins Bündnerland unter die Räder nehmen konnten.
Ein starker Dunst im Mittelland liess die Landschaft pastellfarbig erscheinen. Am Walensee war an den Churfirsten der Schnee zu erahnen und nach dem Halt an der Raststätte "Heidi-Land" zeigte uns die Fahrt durch's Prättigau, dass sich der Winter noch nicht allzu weit zurückgezogen hat.
Am Bahnhof in Davos-Dorf luden wir unseren Führer Rolf Sägesser auf, der sich im Wartesaal die Zeit mit allerlei "Büroarbeit" vertrieben hatte.
Nun ging's hinein ins Tal, das an Schellenursli erinnert, an der Station Pischa vorbei bis wir um 16.30 h zwischen Schneemauern die kleine Kirche "Maria zum Schnee" und den Gasthof Tschuggen erreicht hatten.
Rasch waren im stimmungsvollen Bündnerhaus die behaglichen, Holz getäferten Zimmer verteilt, so dass wir uns für die erste Nacht und das Nachtessen in der gemütlich duftenden Arvenstube einrichten konnten.

 
 
 
 
 
         
         
 
 
 
Aufstieg im Gegenlicht
 
 
 
Ueli und Jacques vor dem Schwarzhorn
 
 
 
 
Abfahrt vom Jörihorn Richtung Tschuggentälli
 
 

 

 

Sonntag, 23. März 2003: "Adagio in Dur"
Frischer Zopf stand auf der Frühstückstafel, an der schon bald ein reges Treiben herrschte. . Ein paar Autos brausten bereits mit Tourengängern um die Kurve, während wir um 8.25 Uhr Rolf auf den Skiern folgten.
Am Parkplatz vorbei und nach der Barriere auf der schneebedeckten Strasse stiegen wir bereits im hellen Sonnenlicht bergan. Viele Menschen waren unterwegs und strebten nach allen Seiten den verschneiten Berggipfeln zu.
Auf der Höhe von ca. 2'140 m verliessen wir die Passstrasse und bogen nach Osten ins Müllersch Tälli ab. Ein kurzer Halt stärkte uns für den ersten Steilaufschwung. Im Zickzack erreichten wir den Punkt 2'424 und konnten endlich das Picknick-Säckli in Aktion treten lassen. Bald hatten wir eine Hochebene erreicht und konnten mit weniger Anstrengung über den gleissenden weissen Schneeteppich gleiten, auf dem Milliarden von Diamantsplittern zu funkeln schienen.

im Aufstieg durch ein flaches Täli

Ein Schluck aus der Flasche und dann ging's an den Gipfelaufschwung. Heiss schien die Sonne, die bereits im Zenith des klarblauen Himmels stand. Um 12.15 h hatten wir das Skidepot des Jörihorns (2'845 m) erreicht und konnten uns nach ein paar luftigen Schritten über den verschneiten Gart auf dem kleinen Gipfel die Hand drücken.
Nun genossen wir eine ausgiebige Rast, bewunderten die Aussicht, sprachen vom Ortler, Piz Kesch, Piz Bernina und Tödi und spiegelten nach all den Gipfelzielen in der Nähe, die von vielen Tourengängern besucht wurden.
Für die Abfahrt wählte Rolf nach der Gipfelflanke den Pulverschneehang nach Norden ins Tschuggentälli, führte und geschickt um die Gratrücken herum, bis wir am Tschuggenberg etwa auf der Höhe von 2'300 m definitiv in sulzige Regionen glitten. Ein Blick zurück zeigte halsbrecherische Spuren über einen fast als unbefahrbar geltenden Pulverschneehang, und erinnerte daran, dass es etwas Mut gebraucht hatte, dem munter dahin wedelnden Führer zu folgen.
Hei, wie flogen wir nun über den vor uns liegenden Sulzteppich, rauschten über kleine Kuppen hinunter und versuchten mit einer kurzen Trink-Rast das unvermeidliche Ende der herrlichen Talfahrt hinauszuschieben.
Aber um 14 h war es soweit. Der Hund Tschuggo des Gastwirtes machte vor, worauf wir alle auch Lust hatten: eine kurze Rückenlage und ein wohliges Kraulen am Bauch . . .

Teilpanorama vom Jörihorn, Blick vom Flüela Schwarzhorn bis Davos

Teilpanorama unterhalb des Jörihorns, mit Jöriseen, Flüela Wiss- und Schwarzhorn

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Jörihorn, letzte Meter vom Skidepot zum Gipfel
 
 
 
Pulverschnee im Gipfelhang
 
 
um die Ecke ins Tschuggentälli

         
Claudia im Aufstieg (Foto von Rolf Sägesser)
Foto ©Rolf Sägesser
Gegenlicht im Aufstieg zur Winterlücke
unterhalt der Winterlücke
 
Rolf an einer luftigen Stelle im Aufstieg zum Wisshorn
 
letzte Meter zum Gipfel des Wisshorn
  Montag, 24. März 2003: "Grave"
Frühstück um 6 Uhr war für unseren Wirt kein Aufwand. Wir konnten uns stärken und waren um 7 Uhr abmarschbereit. Noch lag die mit Hartschnee bedeckte Passstrasse im Schatten, aber die Grate und Firne wurden von der Morgensonne geküsst.
Schwarz standen die Arven zwischen den Felstrümmern, filigrane Lärchen, mit kleinen Zapfen geschmückt, präsentierten sich wie zarte Häkelarbeit auf dem weissen Grund. Wir verliessen die Flüela-Strasse am gleichen Ort wie am Vortag, aber Rolf wählte die Route mehr in SE-Richtung, so dass wir nicht nur bequem an Höhe gewinnen, sondern angenehm im Schatten aufsteigen konnten. Blaue Schatten lagen in den Mulden und gaben der Winterlandschaft etwas Weiches. Die aufgehende Sonne beglänzte die Gratschneide und liess nach 2 Stunden Marschzeit den Firn wie ein glitzerndes weisses Tuch aufleuchten. In einer sonnigen Mulde auf ca. 2450 m konnten wir unser Znüni habern.
Weiter ging es, wieder angenehm im Schatten, bis wir einen weiten Talkessel erreichten, der vom Nord- und West-Grat des Flüela Wisshorns begrenzt war. Über den Grat stieg bald die Sonne, so dass die Traverse und der letzte Aufstieg zur Winterlücke (2'787 m) in einer Talmulde mit fast südlichen Temperaturen so richtig Lust auf eine Rast machte. Hier konnten wir uns an der Aussicht auf all die bekannten und weniger bekannten Berggipfel fast nicht satt sehen. Allzu rasch verflogen die Minuten und wieder schoben wir hinter Rolf die Skier über den gleissenden Firn zur Einsattelung (2'900 m) am Fuss des E-Grates.

Aussicht im Aufstieg von der Winterlücke zum Wisshornsattel

         
      Bym Aabligg vo de schlangge Flangge
duet s Verdraue e bitz wangge
und me frogt sich in Gedangge:
" Wie kann y mi dert uffe rangge?"
 
              Jacques und Hans kasch nit dra griege.
Der Hans wurd höggschtens uffe fliege!


Nach einer anstrengenden halben Stunde hatte Rolf so schöne Tritte in den harten Schnee geschlagen, dass wir auf einer Leiter aufsteigen konnten. Am Vorgipfel überraschte uns ein elegant geschwungener Grat, auf dessen ausgesetztem Kamm wir den Gipfel des Flüela Wisshorns (3'085 m) erreichten.
Der Abstieg forderte nochmals etwas Konzentration, bis wir durstig und verschwitzt nach 1½ Stunden das Skidepot erreichten.

 
Morgenstimmung im Aufstieg zur Winterlücke
 
letzte Meter zur Winterlücke, Wisshorn voraus
 
Winterlücke, im Hintergrund das Wisshorn
 
Richtung Wisshorn
 
Kurt auf dem Gipfelgrat
 

fast 360° Panorama vom Wisshorngipfel (750KB)

Kommentiertes Teilpanorama vom Wisshorngipfel (653KB)

         
 
luftiger Abstieg vom Wisshorngipfel
 
 
ein Traumhang mit herrlichem Pulverschnee!
 
 
 
Abfahrt durchs Chriesitälli
 
 
 
  Der Abstieg forderte nochmals etwas Konzentration, bis wir durstig und verschwitzt nach 1½ Stunden das Skidepot erreichten.
Dann hat Rolf für eine Abfahrtsroute gesorgt, die keine Wünsche offen liess! Unverfahrene Pulverschnee-Hänge wurden von unseren makellosen Spuren gezeichnet, Schussfahrten um sanfte Schneekuppen führten an die nächsten Steilhänge, die ebenfalls in keuscher, jungfräulich weisser Pracht vor uns in einer gähnenden Tiefe endeten, bis wir im Schuss eine warme Mulde und die Spur zum Gegenanstieg auf die Einsattelung (2'771 m) südlich der Jöriflüelafurgga (2'725 m) erreichten. Die Felle wurden aufgezogen, kurz der Magen und der trockene Hals beruhigt und dann ging's bei sommerlichen Temperaturen in wenigen Kehren im weichen Schnee zum Pässchen hinauf (25 Min.).

Hans erreicht die Jöriflüelafurgga, im Hintergrund das Wisshorn


Hier erwartete uns als neue Herausforderung eine Traverse im feuchten Sulzschnee, um giftige Gratrücken herum, - die wohl nicht nur für Jacques eine Mutprobe waren, - bis wir auf 2'642 m die Einfahrt ins Chriesitälli erreichten.
Hier tat sich vor unseren Skispitzen eine schimmernde, glitzernde, lockende Wunderwelt auf. Der Sulzschnee lag als geschmeidige Oberfläche vor uns, wir brauchten nur das Fudi zu lüpfen und von einem Bogen in den nächsten zu fliegen, das Rauschen zu geniessen, wenn wir den butterweichen Sulz in glupschenden Fontänen als Halbmonde über Hänge, Kuppen, Mulden drückten. Chriesitälli - ein Hauch von Sommerfrüchten, die prall, dunkelrot und saftig-süss im Mund zerspritzen . . .
Und über allem schien eine warme Märzensonne, die uns die Illusion von "eternal spring" gab, wenn bei besonders gelungenem Carven tausend Schmetterlinge in unserem Bauch flatterten. Mit kräftigen Stockstössen ging's dann das Tal hinaus, bis wir mit den letzten Schwüngen um 15 Uhr den Gasthof Tschuggen - und den Bündner Schiefertisch mit Radler Humpen und "Vanille/Mocca" erreichten.

 
 
 
Traumabfahrt (Foto von Rolf Sägesser)
Foto ©Rolf Sägesser
 
 
 
kurz vor der Jöriflüelafurgga
 
 
 
         
Morgenstimmung im Flüelatal
 
 
Aufstieg zum Baslersch Chopf
 
 
 
Vreni erreicht das Skidepot
 
 
 
Kurt geniesst die Aussicht auf dem Baslersch Chopf
  Dienstag, 25. März 2003: "Tempo di Minuetto"
Um 7 Uhr wurden am Frühstückstisch die Joghurt verteilt. Um 8 Uhr trippelten wir auf der Strasse hinter Rolf bis zur Barriere. Bereits beleuchtete die Morgensonne unseren Weg. Unter einem klar blauen Himmelsdom zog Rolf federnden Schrittes seine Spur vom Flüelahus nach Westen einen ersten Aufschwung hoch. Nach den letzten Arvengrotzli gab 's den obligaten PH (pisse Halt) und dann folgte eine Traverse um den Tällichopf in den weiten Talkessel des Tälli. Die Felstrümmer trugen dicke weisse Schneehauben und ich wünschte mir eine solch kühlende Schicht auf den Scheitel, denn die Sonne brannte unbarmherzig in die weisse Landschaft. Es soll dort auch Iglus gegeben haben, aber ich habe sie wohl im blendenden Gegenlicht nicht gesehen.

Aufstieg durchs Tälli, Blick zum Wisshorn und Flüelapass

Beim Halt auf ca. 2'440 m versuchte jederman, sich nach seiner eigenen Technik vor der brennenden Sonne zu schützen. Bei warmen Temperaturen zogen wir weiter auf sehr bequemer Spur von Rolf bis zur Gulerigenfurgga (2'572 m) empor und über den kleinen Vorgipfel, der eine kurze, giftige Abfahrt zum Skidepot bot.

Teilpanorama gegen Dischmatal und Davos, links der Baslersch Chopf.

Nun erklommen wir - mit Ausnahme von Jacques - den imposanten Gipfelaufbau des Baslersch Chopf (2'629 m), wo wir auf engstem Raum die Aussicht und das Picknick genossen.
Ringsum boten die Berggipfel ein herrliches Panorama. Die Grate und Spitzen, die Flühe und Firnfelder, die Gletscher und Kuppen reihten sich aneinander zu einem glitzernden Geschmeide, das uns staunen liess.

 
 
 
Flüelastrasse, seit der Eröffnung des Vereinatunnels im Winter geschlossen
 
 
Blick aufs Sentischhorn
 
 
 
Autstieg zum Baslersch Chopf
 
 
kurze Abfahrt richtung Dischmatal und schon beginnt wieder der Aufstieg
         

360° Panorama vom Baslersch Chopf (762KB)

Aufstieg zum Chiselgrat
 
 
Ueli stapft dem Chiselgrat entgegen
 
 
 
 
 
im unteren Teil der Abfahrt
  Allzu schnell verflog die Zeit und Rolf mahnte zum Aufbruch. Über die bläulich schimmernden Trittstufen kehrten wir zum Skidepot zurück. Rolf wählte die Abfahrt auf der Südwestseite, zuerst durch eine firnige, steile Rinne und später über sulzige Hänge, bis auch hier das Vergnügen ein allzu frühes Ende fand. Auf ca. 2'300 m wurden wieder die Felle montiert. Ein paar Sprüche würzten diese Minuten und unser Lachen war das einzige Geräusch in dieser stillen Bergwelt. Die Hänge schimmerten silberweiss in der Mittagssonne. Durch den weichen Schnee schob Rolf seine Ski voraus und ich genoss das südliche Klima. Als sich mit dem bekannten dumpfen "Wumm" mehrmals die Schneedecke setzte, hatte Rolf einen zweiten Pfeil im Köcher, verliess die Route und setzte den Aufstieg nach einer Querung an einer mit Blöcken durchsetzten Rippe fort, bis wir eine Einsattelung am Chiselgrat auf 2'561 m erreichten (45 Min.). Felle runter und eine kurze Rast mit Blick hinunter zur Flüelastrasse und zum Gasthof Tschuggen.
                            Blick vom Chiselgrat auf Tschuggen runter

Zuerst gab's natürlich eine kurze Querung durch einen mit Pulverschnee gefüllten Hang. Die Schmetterlinge im Bauch waren noch nicht ausgeschlüpft, es war das klebrige Krabbeln der sich drahtig vorwärts schiebenden Raupen zu spüren . . . Dann konnten wir über einen ersten, saftigen Sulzschneehang lustvoll unsere Spuren ziehen, bis wir unvermittelt im Pulverschnee landeten. In barocker Üppigkeit tat sich diese Pracht vor uns auf, deren Oberfläche aber stellenweise bereits etwas kompakt den bodenlosen, mehligen Schnee verbarg. Für die Cracks unter uns - allen voran Führer Rolf - natürlich kein Problem, aber Jacques glaubte bei einem spektakulären Sturz, der ihn sogar seiner grünen Kopfbedeckung beraubte, sein letztes Stündchen sei gekommen. Nachdem Vreni und Kurt den Kameraden ausgebuddelt hatten, nahm er doch dankbar die restliche Abfahrt unter die Skier.
Nach einem recht breiten Känel folgte eine schattige, mit Pulverschnee ausgiebig versehene Traverse unter den Felsbändern der Schäferen durch, bis wir uns ganz plötzlich in einer lieblichen Arvenlandschaft wieder fanden. Im weichen Schnee gab's noch ein paar mutige Schwünge oder Sprünge, eine diffizile Passage durch's hölzerne Drehkreuz um über die Brücke den in der Tiefe rauschenden Flüelabach zu überqueren, und schon hatten wir den Gasthof Tschuggen und die rettende Erlabung wieder erreicht.

 
Aufstieg zum Chiselgrat
 
 
 
lange, steile Abfahrt vom Chiselgrat
 
Jacques - ohne grüne Kappe
 
 
 
Tschuggen schon fast erreicht
         
         
Traverse oberhalb der Passhoehe
 
Weite auf dem Weg zum Chlein Schwarzhorn
 
 
Gipfelwaechte
 
Ueli, Hansruedi
 
ein Traumhang, der in die Beine geht
 
Blick zurueck auf die tolle Abfahrt
 
 
Fluelahospiz
 
  Mittwoch, 26. März 2003: "Andante"
Um 7 Uhr trafen sich alle am Frühstückstisch, um 8 Uhr starteten wir ohne Jacques und trafen auf dem Parkplatz schon viele Tourengänger an, denn der Mittwoch ist bekanntlich der Sporttag der Senioren. Ergraute Häupter schwärmten in alle Richtungen aus, während wir mit knirschenden Skiern hinter Rolf auf der Passstrasse vorwärts krochen. Schon bald schien die Sonne auf den harten Schnee. Wir zogen vorbei an einer Arve, die sich mit knorrigen Wurzeln wie mit einer urtümlichen Hand an den mit Heidekraut bewachsenen schwarzen Granitblock krallte, über den Flüelabach, der in dunklen Pools zwischen mächtigen Schneepolstern talwärts fliesst, und über die unendlichen Firnfelder, die bald matt schimmernd, bald glasig länzend, bald vom Wind gezeichnet das Sonnenlicht reflektierten.

Aufstieg zum Fluelapass

Nach einer Rast auf der Höhe des Flüela Ospiz spurte Rolf endlich im weichen Pulverschnee einer riesigen Flanke entlang, die einen Blick auf den zugefrorenen Schottensee und das geschlossene Ospiz-Gebäude bot. Hier waren wir die einzigen Menschen. Die Landschaft strahlte etwas von Einsamkeit und Grossartigkeit aus, das mich ängstigen würde, wäre ich nicht geborgen in der Gruppe hinter Rolf aufgestiegen.

Blick zurueck auf die Passhoehe, in der Mitte das Wisshorn

Der Pulverschnee lag tief und dehydriert, aber Rolf zog eine gute Spur ums Eck und in die Mulde hinter dem E-Grat des Schwarzhorns. Die Sonne brannte auf unseren Rücken, der Schweiss floss in Bächen und die Schritte wurden mühsam. Auf ca. 2'780 m gab's nochmals eine Rast in einer gleissenden, weissen Landschaft, die den Gipfel des Kleinen Schwarzhorns (2'968 m) fast unerreichbar scheinen liess. Aber wieder einmal verstand Rolf es, die Spur so bequem in den weichen Sulzschnee zu legen, dass wir nach wenigen Spitzkehren eine Einsattelung und dann im Pulverschnee das Skidepot nach einer knappen halben Stunde erreicht hatten.
Presto ging's jetzt zum Finale und in raschem Tempo hatten wir über den steilen Firnhang und einen kurzen Verbindungsgrat das kleine Gipfelchen erreicht, das wir ganz für uns hatten. Am Horizont türmten sich Kumuli und die Berggipfel wirkten im dunstigen Licht seltsam weich und entrückt.
Am Skidepot wurde nochmals verpflegt und dann leitete Rolf mit einer Querung zu traumhaften Sulzschneehängen die Abfahrt ein. Über 200 Höhenmeter glitten wir am Stück in zaghaften oder gewagteren Schwüngen in die Tiefe und erreichten bald die Pulverschneehänge, die jedes Skitourenfahrer-Herz höher schlagen lassen.

      E kaine mues lang zaudere
do losch es aifach "powdere"!
         

In der Falllinie erreichten wir das Ospiz und brachten die Arme zum Einsatz, bis wir von der Passhöhe hinter Rolf her über die sanften Hänge bald im Sulz und bald im Powder bis "Weisshornhütte" (Wägerhus, 2'207 m) rauschen konnten. Ein Blick in die kleinen Wasserschüsselchen des Flüelabaches boten dem Auge wohltuende Bergromantik. Nach einem letzten Schluck aus der Flasche ging's jetzt flott über die Sulzschneepiste der Passstrasse, einer Gruppe von Ski-, Langlauf- und Schneeschuhläufern geschickt ausweichend, bis zum Parkplatz, dort vorbei an den im Liegestuhl neben dem Auto dösenden Senioren, und zum Gasthof Tschuggen.
Das Nachtessen nahmen wir im nostalgischen Gasthof "Alpenrose" ein, da der Tschuggen Wirte-Sonntag feierte.

 
Aufsteig, voraus das Schwarzhorn
 
Vreni beim Gipfel, hinten das Wisshorn
 
Gruppenbild auf dem Chlein Schwarzhorn
 
 
Skidepot
 
 
Abfahrt zur Passhoehe
 
 
 
Hochebene bei der Fluelapasshoehe
 
Abfahrt ueber die Passstrasse

 

Jacques, Vreni, Hansruedi und Hans im Aufstieg
 
Vreni
 
gemütlicher Hock unterwegs
 
Hans und Vreni erreichen den Gipfel
 
 
Vreni Z bereit zur Abfahrt
 
  Donnerstag, 27. März 2003: "Allegro"
Frühstück um 7 Uhr, mit Blumenstrauss und Geburtstagskarte!, und Abmarsch um 8 Uhr bei einem leicht milchig überzogenen Himmel.
Schon bald konnten die "Harschyseli-Blocher" ihre Hilfsmittel montieren, denn auf dem hartgefrorenen Schnee ging es auf dem von Alpenrosen durchsetzten Hang des Tschuggenbergs steil bergan. Nachdem Jacques den Aufstieg aufgeben wollte, folgte eine Traverse ins Mattjisch Tälli hinein. Unvermittelt konnten wir im Schatten eines Felsgrates sehr angenehm dahin wandern. Ein kurzer Halt, und dann schoben wir die Skier über die gleissende Firndecke durch ein endlos scheinendes Hochtal dem Pischahorn entgegen. Ich wälzte, fast im Halbschlaf, die Reimworte für's Führerbuch durch mein Hirn: Pischa - Grischa - - - es wollte nichts Rechtes herauskommen. Nach einem weiteren Halt im Talgrund auf ca. 2'650 m blieb Jacques zurück und wir stiegen weiter und jetzt steiler hinter Rolf über den Sulzhang empor, an dem plötzlich ein angenehmes Lüftchen wehte. Wir erreichten den Gipfel des Pischahorns (2'980 m), wo ein recht steifer Nordwestwind uns zeigte, wie es auch hätte sein können. . .
Wir setzten uns zum Picknick in den Windschatten auf die Nordost-Seite. Rolf überreichte mir mit wenig Worten eine Geburtstagstorte, die ich zum Früchtetee aus der Thermosflasche genüsslich hereinzog. Die Aussicht war nicht mehr so klar, wie an den anderen Tagen. Ein milchiger Schleier hüllte die Gipfel in ein sanftes Licht und ein starker, etwas schmutzig gelber Dunst liess die entfernten Berge verschwimmen.

Teilpanorama gegen Nord, im milchigen Licht (175KB)

Für die Abfahrt suchte Rolf wieder die Hänge mit der geilsten Neigung aus. Der Sulzschnee war körnig und weich, so dass wir genussvoll in die Tiefe carven, gleiten, schwingen, schweben konnten. Als wir unter uns den Gasthof Tschuggen und die kleine Kirche an der Passstrasse sehen konnten, wählte Rolf sorgfältig die Sulzschneepiste über Kuppen und Mulden, durch Tälchen und Känel, an Felsrücken und kleinen Alpenrosen-Inseln vorbei zurück zu unserem Gasthof.
Nach einem stärkenden Schluck kam eine kurze Retablierungsphase, bis uns Hans und Claudia um 16.30 h verliessen. Zum Nachtessen mussten wir nochmals in die "Alpenrose" hinunter.

                    Rassige Abfahrt ueber steile Sulzhaenge...     ...und sanftere Sulzhaenge zum Geniessen
 
noch gehts der Sonne entgegen...
 
Hans
 
sanfter Teils des Aufstiegs, durch ein Hochtal
 
Geburtstagskind mit Torte
 
 
Vreni G bereit zur Abfahrt

 

 
 
  Freitag, 28. März 2003: "Presto - Prestissimo"
Am Frühstückstisch um 7 Uhr überraschte uns Jacques mit der Mitteilung, dass er am Pischahorn eine Tageskarte lösen wolle.
So marschierten wir um 8 Uhr zu fünft hinter Rolf über den knirschenden Firn. Bald schon steckten Vreni und ich die Harscheisen auf. Rolf zog eine bequeme Spur über den langsam ausapernden Steilhang zum Tschuggenberg hinauf. Wieder quollen reihenweise Skitouristen aus den Autos am Parkplatz und bildeten in verschiedenen Richtungen lange, dunkle Zottelreihen über die weissen Schneehänge. Zaghaft schien auch die Sonne durch die dünne, dunstgraue Wolkendecke und liess Milliarden von Lichtern auf den Firnfelder aufblinken.
Wir hatten das Tschuggentälli erreicht und machten auf ca. 2'450 m eine Rast. Hinter uns folgte eine Gruppe, die offenbar von einem Bergführer begleitet war.
Im Westen verhiess ein blauer Himmel eine sonnige Aufhellung. Im Norden und Osten hingegen waren graue Wolken zu sehen. Die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit waren hoch. Rolf setzte den Aufstieg fort und bog hinter den Felszacken (Punkt 2'753 m) nach Osten ab. Plötzlich begann es auch leicht zu flöckeln und schon bald wollten uns die Schollen unter dem Fell am Weiterkommen hindern. Die Gläser der Sonnenbrille beschlugen sich, so dass ich manchmal nur noch im Nebel die Enden der Olin-Ski von Rolf verschwimmen sah. Ich versuchte, nicht an die Steilheit des Aufschwungs zur Einsattelung vor dem Isentälli-Spitz zu denken, die Rolf mit wenigen Spitzkehren erreichbar machte. Hatte ich mich schon auf ein Skidepot unter den grossen Felsen links vom Pässchen eingestellt, so zog Rolf in weiteren Spitzkehren den steilen Gipfelhang empor, der zudem, mit rauhem, hartem Schnee und vielen Fussspuren, in deren tiefen Löchern ein eisblauer Schimmer lag, nicht sehr bequem zu begehen war. Die letzten paar Meter schulterten wir die Skier und erreichten aufatmend den Gipfel des Isentällispitzes (2'986 m) oder Gorihorns.
Wie auf einem Melkstühlchen sassen wir jetzt auf diesem Firnspitz, futterten aus unseren Picknicksäckchen und blickten in die weite Bergwelt hinaus, die heute mit Dunst und tiefen Wolken nicht so viel hergab. Etwas bange fragte ich mich, wie ich heil mit Skiern an den Füssen von diesem Hochsitz herunter kommen könne. Die Worte des weisen Seneca trösteten mich nur bedingt, auch wenn ich ihm normalerweise beipflichte,
                dass uns nicht die Tatsachen ängstigen,
sondern unsere Meinung über die Tatsachen
   

so wusste ich doch, dass er sich diese Weisheiten wohl kaum auf Berg- und Skitouren erworben hatte.
Rolf beruhigte mich und bot mit seinen Rutschtraversen im jetzt schon aufgeweichten Schnee eine gute Vorgabe. Nach einem von Felsen begrenzten engen Känel erreichten wir eine schöne Flanke die herrlich weichen Schnee und ein paar rassige Schwünge gegen die Einsattelung westlich vom Gorigrat bot. Jetzt tat sich eine herrliche Sulzschnee-Landschaft vor uns auf, die zum Schwingen, Carven und zu Schussfahrten an die nächste Kuppe, die nächste Mulde, den nächsten kleinen Rücken einlud, bis wir an einer Jägerhütte auf ca. 2'200 m noch einen Trinkhalt einschalteten.
Bevor die besagte "Bergführer-Gruppe" auftauchte, fegten wir über den Sulzschnee hinunter, der im Talboden zu weichem, bodenlosem Beton verkam. Kurt stürzte sich wuchtvoll in dieses nasse, schwere, kalte Element, liess sein Material hinter sich und traf blutüberströmt am Gasthof Tschuggen ein, wo die Wunden vorerst digital für die Nachwelt festgehalten und dann mit einem grossen Mass "Panasch" und einem Stück Aprikosentorte versorgt wurden.

 
 
 
 
 

 

 
 
  Samstag, 29. März 2003: "Adagio in Moll"
Um 7 Uhr liessen wir uns zum letzten Mal vom gastfreundlichen Tschuggenwirt den Kaffee servieren. Nach einem letzten Blick in Tschuggo's braune Hundeaugen und der Abschiedsfoto konnten wir mit Starthilfe - die Toyota-Batterie versagte ihren Dienst - die Heimreise antreten.
In Davos erstanden wir in der Bäckerei Weber vis-à-vis der Parsennbahn eine Bündner Nusstorte und dann ging's durch das sonnige und nun merklich frühlingshafte Prättigau ins Unterland hinunter. Autoschlangen waren derweil in der entgegengesetzten Richtung unterwegs.
In Landquart verabschiedeten wir uns im Moll-Akkord von Rolf, der hier mit kleinem Gepäck, wie mir schien, den Zug bestieg.
Die Fahrt bis Riehen verlief, wenn man vom Verkehrsinfarkt bei der Durchfahrt der zweit-wichtigsten Schweizerstadt absieht, ohne Zwischenfall. Wir luden Vreni aus und schleppten kurz nach 12 Uhr unser Gepäck durch den Vorgarten.
Umgehend folgte ich der Aufforderung von Radio DRS 1 den "Aufsteller der Woche" telefonisch zu melden und sprach auf Band:
              "Mein Aufsteller war eine phantastische Skitourenwoche mit Bergführer Rolf Sägesser an der Flüela. Wir hatten jeden Tag sonniges Wetter, beste Schneeverhältnisse, eine ausgezeichnete Führung und eine schöne Kameradschaft in der NABA-Gruppe"    

Nach 13 Uhr wurde dieser Beitrag auch tatsächlich gesendet.
In der Erinnerung leuchteten die Firne am Flüelapass, und . . . der Irak wurde von den US-Truppen bombardiert.

 
 
 
 
 

 

Hilfe zur Tourenplanung:   Landeskarte 1:25'000   Blatt 1197 Davos
        Blatt 1217 Scalettapass
    Skitourenkarte 1:50'000   Blatt 248S Prättigau
        Blatt 258S Bergün
   
Links: adagio ALPINA (das Outdoor Unternehmen von Bergführer Rolf Sägesser)

Copyright for all pictures (if not mentioned differently): Claudia Betschart
Last revised: April 14, 2004